Der Ortsname

Der Ortsname Schalkholz

Der Ortsname der Gemeinde Schalkholz im Kreis Dithmarschen, Schleswig-Holstein, ist im gesamten deutschsprachigen Raum einmalig, schon aus diesem Grund ist die Frage nach seinem Ursprung durchaus interessant. Er könnte als Flurname entstanden sein, die Endung auf „-holt“ lässt diese Vermutung zu.

Die nahe an der dänischen Grenze gelegene Gemeinde Holt (Quelle Wikipedia) leitet ihren, erstmals im Jahre 1451 als „to Holtte“ dokumentierten Ortsnamen vom altnordischen Wort holt ab (germ. *hulta, altdänisch holti, mnd. holt, dän. holt) und beschreibt damit sowohl einen mit Wald bewachsenen Hügel, als auch ein Gehölz. Im südjütländischen Vokabular des Sønderjysk steht er im Wortsinn für einen Wald. Anmerkung: die Definition eines waldbewachsenen Hügels wäre auch für „Schalkholt“ durchaus zutreffend.

Das von Wolfgang Laur veröffentlichte Nachschlagewerk „Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein“ ordnet Schalkholz den spätmittelalterlichen, naturbeschreibenden Orts- oder auch Flurnamen zu und reiht es damit in jene Namensgruppe ein, die auf -holt, -rade, -lohe -wohld, und -hoop enden. Der Begriff „Schalk“ geht auf das Wort „skalk“ zurück, was so viel wie „Knecht, Sklave oder Unfreier“ bedeutet. Herrn Laur überlässt es schlussendlich seinem Leser, einen plausiblen Zusammenhang von „Schalk“ und „holt“ herzuleiten, er bietet dafür die Begrifflichkeit des „Knechts- oder Narrengehölz“ an. „Geisterwald“ ist eine alternative Deutung, deren Herkunft unbekannt ist; vom „Hörensagen“.

Die ehemals bedeutende, mittelalterliche Küstensiedlung Rungholt, 1362 im nordfriesischen Wattenmeer wahrscheinlich durch eine verheerende Sturmflut untergegangen, wird aufgrund der Namensendung „-holt“ ebenfalls seit langem dem „Holz/Gehölz-Wortstamm“ zugeordnet. Der direkte Zusammenhang mit einem damals angeblich, unmittelbar an der offenen See gelegenen Waldstück in einem mittelalterlichen, nordfriesischen Hafenort (Abbau von Salztorf!) scheint in diesem Zusammenhang zumindest fragwürdig, da sämtliche mitteleuropäischen Baumarten kein Salzwasser vertragen und ein derart kleiner Wald dem täglichen Bedarf an Bau- und Brennholz in kürzester Zeit zum Opfer gefallen wäre.

Der Ortsnamensforscher Wolfgang Laur geht (aufgrund einer urkundlichen Benennungen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts als „Rungeholt“) von einem Wald aus, aus dem „Rungen“ (Abstützungs-Streben) geholt werden.

Quelle Wikipedia: „…leitet sich der Name Rungholt vermutlich von der friesischen Vorsilbe Rung- („falsch“, „gering“; gleicher Wortstamm wie das englische wrong) und dem Stammwort Holt („Gehölz“) ab. Daraus ergibt sich die Bedeutung „Niederholz“; gestützt wird diese Ableitung durch historische Karten, die bei Rungholt einen kleinen Wald in hügeligem Gelände zeigen, die „Silva Rungholtina“, was in der Gegend sehr ungewöhnlich ist.“

Anmerkung: möglicherweise hat die „-holt“ Endung den späteren Kartographen Johannes Mejer zur Mitte des 17. Jahrhunderts inspiriert, sein Werk mit der Darstellung eines Niedergehölzes zu illustrieren?

Ein ebenso interessanter wie bedeutender Hinweis zu „Schalkholz“ entstammt einer digitalen Korrespondenz mit Dr. Arnold aus Heide, in seiner damaligen Funktion als Leiter des "Museum für Archäologie und Ökologie Dithmarschen" in Albersdorf. Er schrieb beinahe beiläufig:

„...Schalkholz hat einen berühmteren Namensvetter auf Island; der alte Bischofssitz Skalholt, das mittelalterliche, geistliche Zentrum des Landes in der Nähe der „Allmännerschlucht“ bei Thingvellir. Es sind dort keine bedeutenden historischen Reste mehr erhalten.“

Im ersten Dithmarscher Landrecht von 1447 § 21, findet sich der Name „schalkholte stuvede“, hier ist er eindeutig als Wald benannt:    

„Vortmer efft dar iemant begrepen worde na dessem daghe, dede Hamme howede efte schalkholte stuvede efte jenighe landwere in unsem lande. de schal tegen unse land ghebroken hebben LX lüb. mk.“

Frei übersetzt war es jedem bei 60 Mark (lübsch) Strafe verboten, an den Wald Hand anzulegen. Die im Text beschriebene „Hamme“ stellte einen von der Natur geschaffenen, gut zur Verteidigung des Landes geeigneten Sperrriegel („landwere“) dar, welcher aus Wald, Sumpf, Moorboden und dichtem Niederbewuchs bestand. Diese (Hamme) war zur ihrer Zeit sicherlich ein militärisch bedeutsames Hindernis, welches durch ein Schanzwerk und einen Graben zur Vernässung im Bereich der Tielenau-Brücke um 1559 erweitert wurde. Noch heute hebt sich ein kleiner erhaltener Rest, westlich der Landesstraße 149, von der natürlichen Geländestruktur gut sichtbar ab. Zur Mitte des 15. Jh. stand der Begriff Schalkholz für ein dichtes Niedergehölz / Waldstück auf der Norderdithmarscher Geest, welches für die Landesverteidigung bedeutsam war. Die erste Erwähnung als Siedlung datiert auf das Jahr 1480 als Schalkholte.

 


Die Entstehung des Ortsnamens

Der Versuch den Ursprung des Ortsnamens Schalkholz zu ergründen, wird an einer zu großen Anzahl möglicher Variablen scheitern. Die erste schriftliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1447, was für Ortsnamen oder Flurbezeichnungen in Dithmarschen, zumindest auf den ersten Blick, auf eine relativ späte Benennung hindeuten mag.

Vermutlich ist das, bis dahin nur gesprochene Toponym deutlich älter, befindet es sich seit jeher in Nachbarschaft mit der alten sächsischen Siedlung Tellingstedt und ist bis heute ein Teilstück eines urzeitlichen, lokalen Wegnetzes auf der Geest, was durch zahlreich nachgewiesene, Stein- und auch bronzezeitliche Grabhügel in Nord-Südrichtung indirekt bestätigt wird. Dieser Ansatz gestattet eine zeitliche Orientierung in die Epoche der altsächsischen Sprachwelt.

Seit Anbeginn der Sprache haben Menschen, sei es zur Verständigung oder Orientierung, ihrem unmittelbaren, landschaftlichen Lebensraum Namen gegeben, denen einfache, aber prägnante Benennungsmerkmale zugrunde gelegen haben. Aus dem lokal gesprochenen Dialekt heraus entstanden so erste Orts- und Flurnamen.

Wann dies für Schalkholz geschah ist natürlich unbekannt. Allerdings ist mit der räumlichen Nähe zur Eider, als dem damals zentralen Verkehrs- und Handelsweg, die Wahrscheinlichkeit einer direkten Beeinflussung durch die nordseegermanische Sprache nennenswert erweitert. Sowohl die räumliche Nähe zu friesischen Seehändlern auf ihren Fahrten über Eider und Treene zur Handelsmetropole Haithabu, als auch das unmittelbar nördlich der Eider angrenzende, dänisch dominierte Herrschaftsgebiet legen diese Vermutung nahe.

Das ursprünglich in Schalkholz gesprochene Niederdeutsch ist unwiederbringlich vergangen, es hat sich aber das Plattdeutsche mit all seinen lokalen Varianten erhalten. Erst sehr viel später setzte sich auch bei uns das heute geläufige Hochdeutsch durch. Dieser Wandel lässt sich an dem Wort Dithmarschen  gut darstellen, gefunden in entsprechender Literatur zur Geschichte und Heimatkunde:

 

Thiatmaresghao          8. Jahrhundert

Thietmaresca               Urkunde von 1059

Thetmarsia                  eine spätere Schreibweise Titmarcia            

Dethmerschen             mittelniederdeutsch Detmarschen

Dithmerschen             aus dem Dithmarscher Landrecht von 1447

Dytmerschen              auch aus dem Dithmarscher Landrecht von 1447

 

Grund dieses Wandels ist eine dynamische Lautverschiebung durch die Jahrhunderte, welche den Unterschied zwischen Hoch- und Plattdeutsch ausmacht und sich in der Entwicklung der nordeuropäischen Sprachen nachweisen lässt. Mittelalterliche Dokumente schrieb man mehr oder weniger so, wie man es sprach. Verbindliche Rechtschreibregeln gab es bis dahin nicht, diese wurden erst spät mit den Preußen ab 1871 ernsthaft angedacht. Mit der Verbreitung des Buchdrucks und der Lutherbibel begann allerdings eine erste Vereinheitlichung.

Durch die Jahrhunderte wandelte sich nicht nur die jeweils lokale Sprache, sondern auch deren Schreibweise, wie es an dem Wort „Dithmarschen“ ersichtlich wird. Je nach Dialekt und Epoche schrieb man, beispielsweise:

hochdeutsch: scharf,     niederdeutsch: scharp,     althochdeutsch: scarph,     altsächsisch: skarp

sc         anstelle von    sch

c          anstelle von    k

sk        anstelle von    sch

k          anstelle von     h  

h          anstelle von    ch

 

Bezogen auf den Ortsnamen Schalkholz ergeben sich demzufolge auch hier einige Varianten, die nachfolgende Auflistung ist ohne Bezug auf eine Datierung oder Entstehungsdatum. Ein größerer Teil ist historischen Karten (HK) entnommen, drei Beispiele sind vom Verfasser „konstruiert“, angelehnt an das Schreibweise-Beispiel zuvor:

Schalkholz                  heutige, amtliche Schreibweise

Schalckholz                HK

Schalckholtt                HK

Schalkholtt                 HK

Schalkholte                 aus dem Dithmarscher Landrecht 1447

Schalkholt                   HK

Scalckholt                   HK

Scalkholt                     vom Verfasser konstruiert, k, anstelle von ck

Skalkholt                    vom Verfasser konstruiert, k, anstelle von c

Skálholt                      ehemaliger Bischofssitz auf Island, um 1056 n. Chr.

Scalholt                       vom Verfasser konstruiert, c, anstelle von k

scahho                         althochdeutsch, neuere Form Schache. Bedeutet allgemein „Wald  oder Buschwerk“, nach Gebr. Grimm auch „Vorgebirge, Landzunge“.

 

Für die Topographie von Schalkholz ist scahho ein durchaus passender Begriff, einschließlich der Geländestruktur des ehemaligen Eiszungenbeckens; demzufolge „Schach-Holt“?

Wie eingangs ausgeführt, ist der Ursprung des Ortsnamens nicht mehr zu ergründen. Allein die Anzahl möglicher Schreibweisen durch viele Jahrhunderte hindurch macht, je nach Bildungsgrad und Muttersprache eines jeden „Schriftgelehrten“, einen seriösen Rückschluss auf die ursprüngliche Benennung nahezu unmöglich. Vermutlich werden sich zudem auch noch Übermittlungs- wie Abschriftfehler eingeschlichen haben, inklusive bewusster Veränderungen aufgrund von „…persönlicher Interpretation“ und „…politisch motivierter Eindeutschung“.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die erstmalige Niederschrift von Schalkholte im Dithmarscher Landrecht von 1447 im Grunde nur eine Momentaufnahme bleibt, auf der alle späteren Niederschriften in ihrer unterschiedlichen Schreibweise basiert haben könnten. Es ist weiterhin denkbar, dass der Flurname bereits Jahrhunderte zuvor bestand und mit der Siedlungsentwicklung von Tellingstedt einherging. Je tiefer man jedoch in den Versuch einer ursprünglichen Deutung des Ortsnamens eintaucht, desto komplizierter gestaltet sich die Thematik. Allein drei verschiedene Definitionen fanden sich im Laufe der Recherche für „-holt“:

1.         „Fleisch / Körper“

2.         „niedriger oder steiniger Hügel“

3.         „Wald / Gehölz“

 

Der Verfasser wagt nachfolgend einen Erklärungsversuch für den Ursprung des Ortsnamens, allerdings ausdrücklich ohne jeden wissenschaftlich-handfesten Nachweis. Ausgehend von der Annahme, dass sich die Ortsbenennung von Schalkholz auf der besonderen Topographie des Schalkholzer Eiszungenbeckens gründet, ergibt sich mit Skálholt auf Island überraschend eine Parallele, siehe Email unten. Auch der Begriff scahho bezieht sich auf die Beschreibung einer Landschaft: „Vorgebirge, Landzunge“.

Demnach beschreibt Schalkholz im ursprünglichen Sinn eine Kelch- oder auch Schalenförmig gelegene Hügelformation, mit einer innenliegenden Senke, Ebene oder auch Niederungsfläche.

Antwort einer Email an die deutsche Botschaft auf Island:

„Ihre Vermutung, dass die Ortsnamen etwas miteinander zu tun haben, erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich. Der Name „Skálholt“ (ausgesprochen: Skaulhollt) setzt sich aus den Wörtern „skál“ und „holt“ zusammen.

Wobei „skál“ im Isländischen das Wort für (Trink-) schale, Kelch, Schüssel ist (auch als Ausdruck des Zuprostens). „Holt“ bedeutet „niedriger / steiniger Hügel“.

Da Isländisch sich in den vergangenen 1.000 Jahren im Vergleich zu anderen skandinavischen Sprachen nicht sehr vom Altnordischen weg entwickelt hat, kann man davon ausgehen, dass die Worte auch zur Gründung des Bischofssitzes die gleiche, oder zumindest eine ähnliche, Bedeutung besaßen.“

© Ralf Sasse, Schalkholt